Gründerstories

20. Juni 2024

Fernbedienung für das Leben

Die Vision hinter der Mental-Health-App mindUp


mindUp ist eine innovative App, die Studierende und junge Menschen in psychischen Krisen unterstützt und sie auf dem Weg zur Therapie begleitet. Mit ihrem interdisziplinären Ansatz und der Kombination von technischem und psychologischem Fachwissen bündeln die TUDa-Studierenden Oliver Mayer und Jasmine Urban ihre Kompetenzen, um eine App zu entwickeln, die die psychische Gesundheit junger Menschen stärkt. Mithilfe von Förderprogrammen und Kooperationen mit Kliniken und Bildungseinrichtungen haben sie bereits wichtige Meilensteine erreicht und sind auf einem vielversprechenden Weg, ihre Vision zu verwirklichen.

 

HIGHEST: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, eine App für psychische Gesundheit zu entwickeln?

Jasmine Urban: Die Idee entstand aus der Beobachtung, dass immer mehr junge Menschen psychologische Unterstützung benötigen. Dies wird sowohl durch Studien als auch durch Statistiken belegt. Im Laufe meines Psychologiestudiums wurde mir zunehmend bewusst, dass die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz ein drängendes Problem sind. Ich erkannte, dass neue Therapeuten allein nicht die Lösung sind; es braucht vor allem bessere Strukturen, Orientierung und Zugang zu mentaler Versorgung, schon zu Beginn des Weges zur Psychotherapie, um sich im Alltag mental zu stärken. So entstand die Idee, etwas zu entwickeln, das junge Menschen bereits in dieser Zeit nutzen und unterstützen kann. Eine App, die Menschen in seelischen Krisen unterstützt und sie auf dem Weg zur Therapie begleitet, erschien mir als ideale Lösung.

Oliver Mayer: Ich studiere Wirtschaftsinformatik im Master an der TU Darmstadt und habe bereits Gründungserfahrung. Durch den Informatik-Teil meines Studiums bin ich in der Lage, Software zu entwickeln. Ich könnte alle möglichen Apps programmieren, Fitness-Apps, Buchhaltungs-Apps, was auch immer. Aber mindUp bietet mir die Möglichkeit, einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Mein persönliches Anliegen und Bedürfnis ist es, mit meinen Fähigkeiten als Wirtschaftsinformatiker ein soziales Projekt zu unterstützen, das einen echten Mehrwert bietet.

Jasmine Urban: Mit einer psychotherapeutischen Begleitung ist eine Krise leichter zu überwinden. Traditionelle Angebote wie Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen gibt es genug, aber sie erreichen Jugendliche nicht ausreichend. Unsere App ist niedrigschwellig und gerade für die Generation Z leicht zugänglich. Sie soll Studierenden helfen, ihre psychische Gesundheit zu erhalten und Krisen zu bewältigen, damit sie ihr Studium erfolgreich abschließen können. Die Hürden, einen Therapieplatz zu finden, sind oft hoch und hier wollen wir mit mindUp ansetzen. Die App soll helfen, die Zeit bis zur Therapie zu überbrücken und erste Unterstützung bieten.

HIGHEST Wie funktioniert die App bzw. was ermöglicht sie den Nutzer:innen?

Oliver: Die App beginnt mit einer psychologischen Anamnese, indem sie beim ersten Start grundlegende Informationen vom Nutzer abfragt und sammelt. Sie führt sozusagen ein „Erstgespräch“. Basierend auf diesen Eingaben generiert die App mittels KI passende Antworten, Übungen und Empfehlungen. Die Benutzer:innen „chatten“ mit der App, geben dabei ihren Zustand an, teilen ihre Bedürfnisse oder ihre Befindlichkeiten mit und werden dann durch die App zu einer Lösung geführt. Ein besonderes Feature der App sind die empfohlenen Entspannungsübungen und Tipps zur nachhaltigen Energiegewinnung. So kann die App beispielsweise gezielte Entspannungsübungen vorschlagen und anleiten, unterstützen, den Körper bewusster wahrzunehmen oder nützliche Hinweise auf Selbsthilfegruppen geben. Zusätzlich bietet die App ein visuelles Feedbacksystem, das den mentalen Zustand des Nutzers farblich codiert (grün, gelb, rot) anzeigt. Dies hilft, den aktuellen Zustand einzuschätzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. 

Jasmine: Die App fungiert wie eine „Fernbedienung für das Leben“, indem sie die Benutzer:innen durch den Tag begleitet und personalisiertes Feedback über den mentalen Zustand gibt. Das ganze Projekt ist natürlich wissenschaftlich untermauert. Wir arbeiten mit der psychosomatischen Abteilung des Klinikums Darmstadt und dem Bildungswerk Darmstadt zusammen, um die App an Klient:innen zu testen. Das Klinikum hat uns 50 Tester:innen zugesagt, beim Bildungswerk werden es rund 20 sein. Diese Kooperation ermöglicht es uns, die App in einer realen Umgebung zu testen und wertvolles Feedback zu erhalten. Das hilft uns, die App kontinuierlich zu verbessern und optimal an die Bedürfnisse der Nutzer:innen anzupassen. Wir evaluieren unsere Erfindung und entwickeln sie auf Basis der Testergebnisse weiter.

HIGHEST Wo steht ihr gerade mit der Entwicklung der App?

Oliver: Im Moment liegt unser Fokus auf der technischen und inhaltlichen Umsetzung. Die technische Entwicklung der App umfasst die Architektur und das Design der Benutzeroberfläche, einschließlich Animationen und ansprechender Visualisierungen. Wir arbeiten eng mit Experten zusammen, um sicherzustellen, dass die App sowohl technisch robust als auch inhaltlich fundiert ist. Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung ist das Testen der Usability. Wir wollen sicherstellen, dass die App benutzerfreundlich ist und den Bedürfnissen der Nutzer:innen entspricht. Dazu planen wir umfangreiche Tests und die Auswertung des Nutzerfeedbacks.

Jasmine: Inhaltlich basieren die Übungen und Methoden in der App auf wissenschaftlich erprobten psychologischen Konzepten. Unser Ziel ist es, die besten Methoden digital verfügbar zu machen und dabei sicherzustellen, dass die Nutzerinnen und Nutzer individuell passende Empfehlungen erhalten. Im Moment implementieren wir rund 100 selbstwirksame therapeutische Methoden in die App.

HIGHEST Jetzt wollt ihr mit mindUp ein Start-up gründen. Was ist euer Geschäftsmodell?

Jasmine: Unser Ziel ist es, die App über die Krankenkasse kostenfrei nutzbar zu machen. Damit ist sie für jeden zugänglich, unabhängig von der persönlichen finanziellen Situation. Das ist aber nur eine Möglichkeit. Der Zugang zur App kann selbstverständlich auch über ein Abonnement im App Store erfolgen, wobei Studierende einen speziellen Studentenrabatt erhalten. Denkbar wäre dann auch, dass Betriebe, also Arbeitgeber, die App zur Verfügung stellen, so wie es heute in vielen Unternehmen üblich ist, beispielsweise Sportangebote für Mitarbeiter:innen anzubieten. Wir müssen evaluieren, was für uns in Frage kommt und freuen uns auf die weitere Entwicklung. 

HIGHEST Ihr studiert beide noch, möchtet aber bereits jetzt ein Start-up gründen. Wie schafft ihr das?

Jasmine: Wir konnten mithilfe von HIGHEST Büroräume im Darmstädter Gründerzentrum HUB31 bekommen, zudem erhalte ich im Programm EXIST Woman viel Unterstützung, das sich speziell an Gründerinnen wendet und gemeinsam sind wir aktuell Stipendiaten von Hessen Ideen. Aber ich gebe zu, dass mein Studium aufgrund unseres Geschäfts Vorhabens etwas langsamer voranschreitet als ursprünglich geplant. Doch das nehme ich gerne in Kauf, wenn ich sehe, wie weit wir schon in gemeinsamer Ausarbeitung vorangekommen sind. 

Oliver: Ich mache gerade meinen Master und profitiere eigentlich von unserer Start-up-Idee mit mindUp. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus unserem Gründungsprozess kann ich in dem Master integrieren. 

HIGHEST: An welchem Punkt steht ihr gerade und was sind die nächsten Meilensteine?

Oliver: Wir haben uns aktuell mit unserem Projekt beim TU-Ideenwettbewerb beworben. Unser Ziel ist es, ins Finale zu kommen und mindUp während des Start-up & Innovation Day im September zu präsentieren und öffentlich zu pitchen. Danach wollen wir den Prototypen fertigstellen und mit den Usability-Tests anfangen. Es liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Für die Anerkennung als Medizinprodukt beispielsweise benötigen wir eine Zertifizierung, damit es die App auch auf Rezept gibt.

Jasmine: So schnell, wie wir in nur anderthalb Jahren nach unserem ersten Kennenlernen – übrigens auf dem #INNODAY24 der TU – vorangekommen sind, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir mindUp zeitnah an den Markt bringen können. Social Entrepreneurship liegt derzeit im Trend. Unser Fokus liegt darauf, die Welt ein Stück besser zu machen und dabei unsere unternehmerischen Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen. Wenn die App Menschen hilft, haben wir unser Ziel erreicht.

Das Interview führte Heike Jüngst.