Success Story

22. Juni 2023

Die Keramik-Erleuchtung

Illutherm brennt Keramik energiesparsam innerhalb von Sekunden.

Michael Scherer bestückt den Brennofen mit Probenmaterial (Foto: Illutherm)


Illutherm brennt Keramik energiesparsam innerhalb von Sekunden. Gezielt fehlerhafte Keramik zu erzeugen war das Ziel von Lukas Porz‘ Doktorarbeit. Dabei erfand er zufällig eine schnellere und deutlich günstigere und umweltfreundlichere Art, Keramik zu brennen – zu sintern, wie Fachleute sagen. Intensives UV-Licht ersetzt den jahrtausendealten Brennofen.

 

Am 28. Februar dieses Jahres gründete Porz auf Grundlage dieser Entdeckung mit seinem Studienkollegen Michael Scherer und dem berufserfahrenen Miltiadis Vlachos das Start-up Illutherm. Der Name ist Programm: Strahlung in Form von Schwarzlicht erzeugt so starke Hitze, dass damit Keramik gebrannt werden kann. Anhand des Prototyps führt Porz das vor: Im von ihm gebauten metallenen Ofen – etwas größer als ein Mikrowellengerät – schlängelt sich ein Gewirr durchsichtiger Kabel mit je einer optischen Linse am Ende. Sie bündeln Licht auf einen Punkt – Schwarzlicht, wie man es aus Discos kennt, aber wesentlich energieintensiver. Diese Strahlung liegt teilweise jenseits der sichtbaren Skala, im Ultraviolett-Bereich. „Die notwendigen starken Leuchten gibt es erst seit wenigen Jahren“, erklärt Porz. Anfangs verwendete er noch einen Laser; mittlerweile sind ausreichend starke LEDs verfügbar. Im Ofen können sie Temperaturen über 1000 Grad Celsius erzeugen.

Im Brennofen

Ein münzgroßes Stück Rohkeramik im Illutherm-Brennofen. Foto: Anja Störiko.

Einblick in den Illutherm-Brennofen. Foto: Anja Störiko

Sekunden statt Stunden: Illutherm beschleunigt das Brennen

Die klassische Keramikindustrie ist äußerst energieintensiv. Üblicherweise werden die hohen Temperaturen dort mit fossilen Energieträgern erzeugt. Zwölf Stunden und länger brennt Keramik, bis sie dicht, fest und einsatzfähig ist. Für etwa zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ist dieser Industriezweig verantwortlich. Hier Abhilfe zu schaffen, käme einer Revolution gleich.

Gründer Lukas Porz (Foto: Illutherm)

Miltiadis Vlachos am Brennofen (Foto:Illutherm)

Michael Scherer und Miltiadis Vlachos am Brennofen (Foto: Illutherm)

Porz schiebt ein münzgroßes Probestück in die Schublade unterhalb des von ihm konstruierten Ofens. Die Rohkeramik sieht aus wie ein Stück Kreide und fühlt sich auch so an. Für den Betrieb des Ofens reicht eine herkömmliche Steckdose. Wenn er ihn anschaltet, glüht und dampft es für wenige Sekunden – und schon ist aus der „Kreide“ ein Stück perfekte Keramik geworden, etwa 20-30 Prozent kleiner als der Rohling, wie es auch bei normalen Brennverfahren der Fall ist.

Aber entstehen bei diesem Schnellverfahren nicht Risse und Fehler? Lukas Porz lacht: „Genau das haben wir ja auch gedacht: Ziel meiner Doktorarbeit war es, „fehlerhafte“ Keramik mit besonderen Eigenschaften herzustellen“. Aber sein als „simples Schnellverfahren“ gedachtes Sintern mit UV-Licht erzeugte einwandfreie Probestücke, fehlerfrei und blitzgeschwind. „Ich konnte auf einmal an einem Tag mehr Experimente machen als in meinem ganzen Keramikerleben zuvor“, so der promovierte Materialwissenschaftler. Nach 20 Sekunden sei klar, welches Experiment funktioniert habe und welches nicht.

Und die Experimente – zusammen mit Michael Scherer – klappten wie am Schnürchen: Nicht nur ließen sich verschiedene keramische Werkstoffe brennen, die sämtliche Materialprüfungen überstanden. Auch Metalle brachten die Beiden in ihrem Ofen zum Schmelzen, etwa Büroklammern. Vor allem aber waren die wichtigsten Qualitäts-Parameter, etwa die Materialdichte der Keramik erfreulich gut.

Damit war der Zeitpunkt gekommen, das Verfahren als „BlacklightSintering“ zu patentieren. Mittlerweile sind bereits fünf Patente angemeldet. Die ersten kamen mit Hilfe von HIGHEST zustande, das letzte ist bereits ein eigenes Patent. „HIGHEST hat uns super unterstützt – dort wären fast noch mehr Ressourcen wünschenswert“, lobt Vlachos den Einsatz der Mitarbeiter:innen, von der ersten Orientierung über Kontakte zu Geldgebern und Netzwerken bis hin zum Businessplan.

Ein Technologie-Sprung – in hohem Maße förderungswürdig

Vergangenen Herbst hatten sich die beiden Materialwissenschaftler und der im Bereich New Business erfahrene Vlachos zusammengetan – samt ihrem eigenen Vermögen. „Nach der Promotionszeit Ende des Jahres war der Übergang zu Illutherm nicht der naheliegendste Schritt, aber es fühlt sich richtig an”, beschreibt Scherer die Veränderung. Die Finalisten im TU-Ideenwettbewerb 2022 erhielten im selben Jahr 200.000 Euro Start-up-Unterstützung von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) sowie 50.000 Euro von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Damit konnte sich das Team im Technologie- und Gründerzentrum HUB31 in Darmstadt einmieten. „Jetzt ist der Zeitpunkt für einen detaillierten Businessplan gekommen“, so Vlachos. Die vielen kleinen technischen Keramiken auf dem Markt – etwa für Labor, Medizin, Elektronik, Messgeräte – könnten sie mit ihrer Methode jetzt schon fertigen, ist das Team überzeugt. In ersten Kooperationen mit fünf Firmen laufen derzeit Machbarkeitsstudien an Testprodukten. Ein Ofen der dritten Generation soll das Brennen größerer Materialien ermöglichen.

Der keramische Markt in Deutschland hat ein Umsatzvolumen von über fünf Milliarden Euro, darunter eine Milliarde für technische Produkte. Und die Methode von Illutherm hat Potenzial weit über die Keramik hinaus: „Unsere Vision ist es, unser extrem energieeffizientes thermisches Verfahren künftig überall einzusetzen“, so Vlachos. Das wäre revolutionär und ein wichtiger Schritt weg von fossilen Energien: Nur ein Bruchteil der bisher eingesetzten Energie benötigt Illutherm zum Brennen kleiner Werkstücke – aus (idealerweise regenerativem) Strom statt aus fossiler Energie. Zudem erhöht sich die Brenngeschwindigkeit um den Faktor 1000.

Schnell gefördert – bürokratisch ausgebremst

Die Illutherm-Gründer wollen ihre Technologie für verschiedene Prozesse anbieten, die Geräte selbst bauen und deren Entwicklung vorantreiben. Anfangs hingen die Erfinder jedoch in der Luft: Weil der Handelsregistereintrag sich verzögerte, hatten sie keine Steuernummer, konnten also weder die zugesagten Gelder abrufen noch Personal einstellen oder Verträge unterzeichnen. „Über drei Monate haben wir darauf gewartet!“, ärgern sich Vlachos und Porz über diese bürokratische Verzögerung, die nun endlich überwunden ist. Dagegen sei Sprin-D ein Lichtblick im bürokratischen Dschungel gewesen, mit einfachem Bewerbungsverfahren und einer Zusage innerhalb von sechs Wochen.

„Wir wollen jetzt schnell wachsen“, so Vlachos. Zehn Einstellungen im ersten Jahr und neue Räumlichkeiten seien bald nötig. „Wir würden es wieder machen“, sagen die drei Gründer. „Es macht Spaß und ist ungeheuer erfüllend“, betont der in vielen Berufsfeldern erfahrene Vlachos den Reiz des Neuen an einem Start-up. „Ob es gut war, werden wir erst in einigen Jahren wissen“. Bis dahin hofft Porz, sich nicht nur mit Illutherm, sondern auch in der Wissenschaft etabliert zu haben – derzeit verhandelt er eine dauerhafte Juniorprofessur.

Anja Störiko

Im Darmstädter Gründerzentrum Hub31 hat Illutherm eine vorläufige Heimat gefunden. Foto: Anja Störiko