Gründerstories

8. Februar 2024

Bird Mapper – Das Geheimnis der Vogelzählung

TUDa-Studierender ermittelt mit KI Vogelpopulationen

Vögel sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Ökosystems. Ohne sie funktioniert unser Ökosystem nicht, ein Großteil der Natur wäre mit ihrem Verschwinden am Ende.  Marc Neumann möchte das derzeit rasante Vogelsterben stoppen. Mit seinem innovativen Projekt ‚Bird Mapper‘ macht sich der TUDa-Student die neueste Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz zunutze: Das System erkennt und zählt Vögel anhand ihres Gesangs – großflächig und in Echtzeit. Innerhalb weniger Wochen sind auf diese Weise belastbare Daten erhältlich. Anhand dieser Daten können gezielte Vogelschutzmaßnahmen ergriffen werden. 

Vögel mithilfe von KI zählen – beim ersten Hinhören klingt das zunächst nach einem seltsamen Konzept. Für Marc Neumann aber ist es ein Herzensthema: Der Computational Engineering Student der TU Darmstadt möchte mit dieser Idee helfen, das weltweite Vogelsterben zu bremsen. „Neue Studien belegen, dass Vogelarten der Agrarlandschaft allein in Deutschland seit 1980 um fast 35 Prozent zurückgegangen sind. Aber auch in den Wäldern und in urbanen Räumen sind die Vögel signifikant weniger geworden“, erklärt Marc Neumann seine Motivation. Der massive Schwund zeige, dass in der Natur grundsätzlich etwas aus dem Gleichgewicht geraten sei. Der Rückgang der Vögel spiegelt wider, dass auch viele andere Arten zurückgehen, beispielsweise Insekten, Bestäuber, und viele andere Organismen, die für die Biodiversität von großer Bedeutung sind. Dem möchte Marc Neumann mit seinen Möglichkeiten entschlossen gegensteuern. 

Werkzeug gegen Artensterben

Marc ist leidenschaftlicher Softwareentwickler und Programmierer mit starkem Draht zu künstlicher Intelligenz. Diese Expertise nutzt er, um eine Datengrundlage zu generieren, die es erlaubt, Maßnahmen einzuleiten, um das Vogelsterben zu bremsen und langfristig zu verhindern. „Unsere momentanen Daten basieren auf alten Methoden wie aufwendigen Kartierungen, die von ehrenamtlichen Beobachtungen gestützt werden. Das ist gut genug für eine grobe Schätzung der Gesamtsituation und um eine Prognose für die nächsten 10 Jahre zu erstellen. Doch für viele Vogelarten wird das bereits zu spät sein.“ 

Mit seinem Konzept Bird Mapper nutzt Marc Neumann neueste KI-Forschung für ein System, das Vögel anhand ihres Gesangs erkennen und zählen kann. „Dadurch ist es möglich, live und großflächig die Anzahl der verschiedenen Vogelarten zu bestimmen.“ Mikrofon, Mikrocontroller, Speicherkarte – winzige Bauteilchen lötet Marc dafür zusammen und steckt sie in ein kleines Kästchen. Einen Prototyp hat er bereits gebaut. Hardware meets Software, beides zu handeln, lernte Marc in seinem Studium. „Für mich ist Programmieren Mittel zum Zweck, ein Werkzeug. So habe ich es selbst in der Hand, das zu tun, was ich möchte.“ Mit den gesammelten Audiodaten erstellt er eine Art Spektrogramm, aus dem seine von ihm entwickelte KI ermittelt, welche Vögel zu hören sind. Die genau Anzahl der Vögel bestimmt dann ein Algorithmus, der mit den Daten aus mehreren vernetzten Bird Mapper-Kästchen eine Karte mit der Verteilung der Vogelpopulationen generiert. 

Digitale Anwendungen, die Nutzen und Spaß verbinden

Das Problem, das Marc Neumann mit seinem System lösen möchte, ist „die Ungenauigkeit, die wir haben, was Vögel, Anzahl und Populationen in Deutschland angeht.“ In Anbetracht dessen, dass Vögel eine der am besten zählbaren Tiere sind und man schon vor mehr als hundert Jahren um die Bedeutung des Vogelschutzes für unser Ökosystem wusste, sei das der reine Wahnsinn. 

Marc ist bei diesem Thema ein Enthusiast. Verstehen lässt sich das vor seinem persönlichen Hintergrund. Großgeworden im Hochtaunus, wächst er von Kindesbeinen an natur- und umweltverbunden auf. Vor allem Vögel faszinierten Marc schon immer. Computer ebenfalls. Als Schüler lotet er diese Leidenschaften in den Leistungskursen Biologie und Mathematik aus. Das Angebot Informatik-AG übersprang er direkt. „Das hat mir nichts gebracht. Die haben bei den Basics angefangen, da war ich schon lange beim Programmieren.“ Für den Bio-Unterricht etwa programmierte er eine Visualisierung des Ökosystems, später, während des Corona-Lockdowns, ein digitales Brettspiel. Das Studium des Fachs Computational Engineering, das Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik kombiniert, scheint vor diesem Hintergrund nur folgerichtig. Fun Fact: Sowohl sein Vater als auch die drei älteren Geschwister studierten an der TU Darmstadt. Marc Neumann setzt eine Familientradition fort.

TU-Ideenwettbewerb als Konzept-Booster

Marc Neumann als Nerd zu bezeichnen, wäre zu kurz gesprungen. Dafür ist er viel zu kommunikativ, breit interessiert, agil und sozial vernetzt. Er engagiert sich in Vogel- und Naturschutzorganisationen, an der TU Darmstadt taucht er tief ein in all die vielfältigen Angebote, die seine Interessen bereichern. Als Marc Neumann 2022 während einer Vorlesung vom TU-Ideenwettbewerb hört, meldet er sich kurzentschlossen einfach an, nur eine Idee im Kopf, aber ohne Konzept. „Es war ein paar Minuten vor Meldeschluss und ich versprach mir von dem Wettbewerb ein professionelles Feedback für meine Idee.“  Bekommen hat er weit mehr als das: Mit Bird Mapper belegte Marc gleich den ersten Platz in der Kategorie Studierende. Das brachte ihm ein individuelles Coaching durch das Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST ein. Hessen AI nominierte das Konzept für den Hessen Ideen Wettbewerb 2023 und eröffnete Marc damit die Möglichkeit, seine Idee einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Obendrein gewann er 30.000 Euro aus dem Lean Start-up Funding von AI Startup Rising. Mit dieser breiten Unterstützung und dem Preisgeld ist er jetzt in der Lage, sein Konzept zu einem Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.

Autorin: Heike Jüngst