Success Story

8. Dezember 2021

Mit KI Leckagen auf der Spur

TU-Ausgründung PipePredict gestaltet die Wasserversorgung nachhaltig.

Sie finden die Schwachstellen und prognostizieren, wo und wann aus einem Leck ein Rohrbruch wird: Die PipePredict GmbH will mit ihrer Software-as-a-Service-Lösung die Wasser- und Energieversorgung nachhaltiger gestalten und dazu beitragen, immer knapper werdende Ressourcen zu schonen. Mit einem Fuß noch in der Forschung und mit dem anderen schon fast im Markt überzeugt das Start-up nicht nur die TU Darmstadt und ihr Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST, sondern auch Praxispartner und Investoren.

Viele Rohre seien wie „tickende Zeitbomben im Untergrund“. So beschreibt PipePredict das Problem. Entsteht ein Leck – zum Beispiel in einem Wasserrohr – wächst die Sollbruchstelle oftmals über Jahre exponentiell, bis es zum Bruch kommt. „Dann hat sich so viel Wasser angesammelt, dass eine ganze Straße unterspült werden kann und absackt“, erklärt Mitgründerin Valerie Fehst. Doch nicht nur solche Infrastrukturschäden treiben die Physikerin und ihre beiden Geschäftspartner Christopher Dörner und Tri-Duc Nghiem um, sondern vor allem der enorme Wasserverlust, der auf unentdeckte Leckagen im Versorgungssystem für Wasser und auch für Fernwärme zurückgeht.

 

Zum Nutzen der Gesellschaft

„Wir sind in Deutschland in der glücklichen Lage, dass wir kaum Wasserübernutzung haben, aber wir wissen: Weltweit wird es für immer mehr Menschen immer weniger Trinkwasser geben“, betont Fehst. Die neue PipePredict-Technologie soll zu Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit beitragen und einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft schaffen. Die Idee basiert auf einem KI-Algorithmus, den Fehst im Rahmen ihrer Masterarbeit im Fachbereich Physik der TU Darmstadt entwickelt hat. Er ermöglicht es, automatisiert Schwingungsmuster zu analysieren, die auftreten, wenn ein Fluid – Wasser, Gas oder auch Öl – unter Druck ein Rohr durchströmt. „Sobald ein Leck im Rohr ist, ändert sich das Muster. Und hieran docken wir an“, erläutert sie. Entstanden ist hieraus eine Software-as-a-Service-Lösung, mit der auch schwer zugängliche Rohre unabhängig vom Material in Echtzeit überwacht, selbst kleinere Leckagen frühzeitig und präzise lokalisiert werden und Versorgungsnetze vorausschauend gewartet werden können.

Sobald ein Leck im Rohr ist, ändert sich das Muster. Und hieran docken wir an.

Pilotkunden in Deutschland und Frankreich

PipePredict arbeitet mit den Sensoren, die bereits im Versorgungsnetz verbaut sind. Aus ihren Daten erzeugt das Team ein digitales Abbild des Netzes, analysiert den Ist-Zustand und baut danach gemeinsam mit den Kunden die notwendigen Spezifikationen auf. Spannend ist dies nicht nur für private und öffentliche Wasser- und Energieversorger, sondern perspektivisch auch für die industrielle Produktion sowie den Betrieb von Öl- und Gaspipelines. Im Fokus der Akquise stehen derzeit noch die Wasser- und Fernwärmedienstleister. In diesem Bereich ist das Darmstädter Start-up mit bezahlten Pilotprojekten bereits in Deutschland und Frankreich unterwegs. Ein Pilot mit einem privaten Energieversorger wird gerade weiterentwickelt zu einer integrierten Software-as-a-Service für den Regelbetrieb. Eine solche Umstellung bringt nicht nur technische Herausforderungen mit sich, etwa mit Blick auf die strengen Sicherheitsstandards für kritische Infrastrukturen, sondern auch unternehmerische: „Wir müssen jetzt nicht mehr nur einen, sondern eine Vielzahl von Stakeholdern überzeugen“, berichtet Fehst.

Inzwischen hat das PipePredict-Team den „Proof of Concept“ für sein Produkt vielerorts erbracht, das Geschäftsmodell und die Strukturen stehen. Mehr Pilotprojekte sollen folgen – auch um die Software unter Realbedingungen weiter zu optimieren. Auf seinem bisherigen Weg hat das Team viel Unterstützung bekommen, für die Fehst „super dankbar“ ist: von HIGHEST rund um den Gründungsprozess und die Beantragung der EXIST-Förderung, von der TU Darmstadt, mit der das Start-up inzwischen eine Bachelor- und Masterarbeit umgesetzt hat, und vom Darmstädter Gründerzentrum HUB 31 und dem Verein Lab³, die zu erschwinglichen Kosten die Infrastruktur für weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Verfügung stellen. „Außerdem haben viele Investoren schon früh an uns geglaubt“, sagt Fehst. Zu ihnen gehören unter anderem Powercloud-Gründer Marco Beicht und der Leipziger Risikokapitalgeber Smart Infrastructure Ventures.

 

Ein Team, das an einem Strang zieht

Vor allem aber steht und fällt der Erfolg von PipePredict mit dem Team. „Mir hat der Mut gefehlt allein zu gründen“, erzählt Fehst. Die jetzige Technologiechefin wußte, dass sie in ihrem Teilgebiet sehr gut aufgestellt war, aber Know-How auch in der Informatik und Betriebswirtschaft brauchte. Wirtschaftsingenieur Christopher Dörner und Tri-Duc Nghiem, Experte für Natural Language Processing (NLP), konnte sie dafür begeistern „in die Ungewissheit eines Start-ups mit einzusteigen“. Angesichts der steigenden Nachfrage brauchen die drei jetzt mehr Verstärkung, müssen die Strukturen für die Zusammenarbeit eines wachsenden Teams und eine gemeinsame Unternehmenskultur aufbauen. „Wir können kein riesiges Gehalt bieten wie in der Industrie“, sagt Fehst. „Was wir anbieten, ist Freiheit – zum Denken und zum Gestalten der eigenen Arbeit und des eigenen Lebens.“

Von Dr. Jutta Witte

Meilensteine

  • 01/2019 – 06/2019: Hessen Ideen Stipendium
  • 11/2019 – 01/2021: EXIST-Stipendium
  • 11/2019: Gewinner Ernst&Young StartUp Academy
  • 12/2019: Gewinner des TU Ideenwettbewerbs in der Kategorie Wissenschaftler:innen
  • 02/2020: Sieger im Wettbewerb „5- HT X-Linker 2020“
  • 03/2020: Gründung der PipePredict GmbH
  • 02/2021: Sieger beim „Science4Life Energy Cup 2021“
  • 06/2021: Powercloud GmbH/MarcoBeicht, Impactinvestor Übermorgen Ventures und Smart Infrastructure Ventures steigen als Investoren ein
  • 11/2021: Gewinner Hessischer Gründerpreis in der Kategorie „Innovative Geschäftsidee“