Prof. Koenders forscht an klimaneutralem Beton
Isolierender Betonschaum ist das neueste Projekt von Prof. Dr.ir. Eddie Koenders. So leicht und durchdacht wie dieser Baustoff erzählt der Professor für Werkstoffe im Bauwesen an der TU Darmstadt aus seinem kreativen Leben als Erfinder.
„Ich bin kein Schwarzseher“, charakterisiert Eddie Koenders sich selbst. Wer zu kritisch sei, verhindere Neues: „Ideen müssen sich entwickeln können – zu Anfang sieht man nicht, ob etwas daraus wird.“ Dass sein Credo aufgeht, konnte der 56-Jährige im Laufe seiner Karriere immer wieder zeigen. Zahlreiche Erfindungen hat er angemeldet – „mindestens 15, glaube ich“ –und vor allem viele verschiedene Projekte angestoßen und umgesetzt.
Wärme in Betonschaum speichern
Begeistert und stolz schildert er mit seinem weichen holländischen Akzent das aktuelle, von der EU-geförderte Projekt für einen klimafreundlichen Dämmstoff: Grundlage ist ein Betonschaum, der zu etwa 92 Prozent aus Luft besteht. Entsprechend federleicht sind die dicken Betonklötze auf Koenders‘ Schreibtisch. Doch der Clou verbirgt sich unsichtbar in kleinen Mengen darin: PCM, Phasen-Wechsel-Materialien heißt der Zauberzusatz, der ähnlich wie Kerzenwachs seinen Zustand zwischen flüssig und festleicht ändern kann. Durch diesen Phasenwechsel wird Energie gespeichert und Wärmestrahlung dadurch regelrecht ausgebremst; ein Gebäude bleibt entsprechend gleichmäßig temperiert.
Begeistert zeigt Koenders Fotos von den ersten beiden Wohnhäusern in Bulgarien, die derzeit mit den leichten Beton-PCM-Dämmplatten eingepackt werden, ein drittes baugleiches Haus erhält zum Vergleich eine klassische Dämmung. Noch gießt die Firma eines ehemaligen Doktoranden den Betonschaum in mühsamer Handarbeit in einzelne Dämmplatten-Formen.„Unsere Platten abbaubar sollen und wiederverwertbar sein“, ist Koenders‘ Ziel, „damit hinterher kein Müll auf der Deponie landet“. Allerdings basieren die PCMs aktuell noch auf Erdöl, sollen aber im finalen Prozess aus altem Fett gewonnen werden. Auch der Dämmschaum könnte eines Tages statt auf Zement auf Ton- oder Kaolinmineralien basieren. Für tragende Wände ist der Dämmstein allerdings nicht stabil genug. 6,85 Millionen Euro stehen dem internationalen Konsortium zur Verfügung.
Ziel: Klimaneutraler Beton
Ganz aktuell ist das gerade bewilligte DFG-Schwerpunktprogramm „Klimaneutraler Beton“. Derzeit verursacht Beton noch fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Daher will das Team Ausgangsmaterialien und Herstellung von Beton optimieren, etwa durch alternative Bindemittel und abfallbasierte oder erneuerbare Materialien, sowie Beton als Kohlenstoffsenke nutzen. Nur jedes zehnte Projekt war im Antragsverfahren erfolgreich, berichtet Koenders stolz. „Als `alter Hase´ unter den Werkstoffprofessoren in Deutschland wurde ich zum Koordinator bestimmt“.
An sein erstes Patent kann Koenders sich nicht auf Anhieb erinnern – es entstand in dem niederländischen Offshore-Bauunternehmen, in dem er nach seinem Bauingenieurstudium als Projekt- und Innovationsmanager begann. Dort habe er gelernt, Raum für Innovationen zuzulassen. In den Teams habe es kreative Freiheit gegeben; die Ideen wurden erst am Ende eines offenen Prozesses bewertet und eingeordnet. Nach fünf Jahren lockte ihn ein Angebot an die TU Delft zurück. Sechs Jahre mit Zeitverträgen mündeten schließlich in einer entfristeten Stelle, „da war ich 42“. An der TU Delft entstanden etliche Erfindungen und Patente, auch weil dort ein einfach zu bedienendes Portal die Anmeldungen erleichterte.
Die Genehmigung eines riesigen Projekts habe ihn um 2010 viel Kraft gekostet, berichtet Koenders. „Ich war müde. Daher habe ich einen brasilianischen Professor gefragt, ob ich mich in der Wärme ein wenig ausruhen kann“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Drei lehrreiche und ebenso spannende wie entspannende Jahre in Rio de Janeiro hatten ihm viele neue Ideen gebracht, vor allem im Bereich Nachhaltigkeit.
Seine anschließende Bewerbung an der TU Darmstadt zog sich über zweieinhalb Jahre hin. Seit Ende 2014 leitet er das Institut für Werkstoffe im Bauwesen in Darmstadt: „Das macht viel Spaß, die TU ist bestens organisiert, die Atmosphäre prima.“ Sein Spaß am Forschen, Tüfteln und an Ideen ist ihm deutlich anzumerken. Wichtig ist es ihm, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Erfindungen und Patente als machbar erleben, auch dank der guten Organisation und Betreuung an der TU. Die kontinuierlichen Innovationen seien zudem Beleg für Spitzenforschung, wie sie Förderer wie die DFG erwarten.
Systematische Neugier
„Ich wollte schon als Kind wissen, wie Dinge funktionieren“, erzählt Koenders. „Mich interessierte die Mechanik und die Mathematik dahinter“. Als Jugendlicher habe er viel programmiert, sich damals das Wissen mühsam aus Zeitschriften zusammengesammelt. Mehr nachdenklich als stolz stellt er fest, dass er es als einziger seiner großen Familie so weit gebracht habe. „Ich hatte einen starken Willen und wollte immer alles wissen“.
Seine Forschung erfüllt ihn spürbar. Eine Ausgründung habe ihn nie interessiert, lieber verfolgt er spannende neue Ideen: Unzählige Projektnamen und Kürzel sprudeln aus ihm heraus. Nüchtern, aber engagiert schildert er seine vielen Ideen und Vorhaben, etwa eine Beschichtung aus Geopolymeren auf Papier und Metallen, die Kunststoffbeschichtungen ersetzen kann. Auf seinem Handy zeigt Koenders Fotos von Projekten, Herstellungsprozessen und Materialien.
Ihm ist wichtig, dass sich alle Mitarbeitenden wohlfühlen und in einer offenen Kultur Ideen entwickeln können: „Die Arbeit muss einen zufrieden machen“. Dazu gehöre auch eine gute Mischung im Team – sehr bewusst sorge er für einen gleichen Anteil von Frauen und Männern. Der rundum zufrieden und ausgeglichen wirkende Professor äußert keine Kritik, aber dass seine Werkstätten in vier getrennten Gebäudekomplexen untergebracht sind, stört ihn. In verschiedenen Stockwerken öffnet er Türen zu Laboren, in denen sein Team mit kleinen Betonmischsystemen, Wärmeleitfähigkeits-Messgeräten, Elektronenmikroskop und Regalen voller Betonguss-Proben werkelt. Für das Mikrolabor, das gerade im weit entfernten neuen Lehrlabor-Gebäude entsteht, müsse er sich wohl einen E-Scooter besorgen, witzelt er.
Den Studierenden wünscht er Fokus und Motivation
Seinen engagierten Schwung gibt Koenders auch gerne in der Lehre weiter. „800 bis 1000 Studierende pro Jahr – das ist mehr Arbeit, als ich vorher gedacht hätte“. Seit Corona müsse er die Masterstudierenden aktiv ansprechen und erklären, wie wissenschaftliches Arbeiten geht. „Büroarbeit kennen alle, da sie nebenher jobben, aber der Fokus auf die Forschung und das Studium wären wichtig“. Als Student habe er sich einen klaren Stundenplan gemacht, um die Credit Points pro Semester zu erfüllen, dafür in den Semesterferien fleißig Geld verdient. Und so erstaunt es ihn sichtlich, dass die finanzierten zwanzig Forschungsmonate im Ausland für ein aktuelles EU-Projekt kaum auf Interesse stoßen. „Zwei Monate nehme ich jetzt selbst“, strahlt er. Mit Sicherheit bringt er aus Ecuador neue Ideen mit.
Text und Fotos: Anja Störiko
Erfindungen und Patente von Prof. Koenders
Gemeinsam mit seinem Fachbereich hat Prof. Dr. Koenders zahlreiche Erfindungen eingereicht, davon wurden von der TU Darmstadt seit 2016 elf zum Patent angemeldet. Darunter sind Patentanmeldungen für den „Betonschaum“ (Thermischer Energy Speicher Schaum (TESS) ) „Gewinnung von Betonschaum aus altem Fett“ (Bio²PCM – Nutzung von festen und flüssigen Bioabfällen zur Erzeugung Biobasierter Phasenwechsel Materialien) sowie für die „Geopolymer-Beschichtung“ (Geopolymerbasierte Papierbeschichtung). Die Erfindung zur „Selbstheilung von Asphalt mittels Erwärmung Induktion an Schrauben“ hat 2016 den 3. Platz beim TU-Ideenwettbewerb gewonnen.