Mit einer TV-Box, einer Kamera und einem als Fernbedienung getarnten Tablet bringt das Start-up Zenaris das Internet auf den Fernseher. Die Gründer Tim Jefferys, Hakan Evcek und Manuel Kraus haben ein System entwickelt, das speziell auf die Bedürfnisse von Senioren und Menschen mit Behinderungen zugeschnitten ist. Ihr Konzept ist so einfach wie genial: Ein gewöhnlicher Fernseher wird zum internetfähigen Hub, der den Alltag erleichtert und den Zugang zu digitalen Inhalten ermöglicht.
Innovativ, intuitiv, inklusiv – so startet Zenaris in eine neue Ära der digitalen Teilhabe. Herzstück der Innovation ist eine moderne TV-Box. Mit einer einfachen Kamera und einer intuitiven Fernbedienung verwandelt das Gerät den Fernseher in ein vielseitiges Portal. Eine ausgeklügelte Software liefert den Nutzer:innen wichtige Informationen direkt ins Wohnzimmer – von Wetterberichten und Nachrichten über Video-Calls bis hin zu Fotos und Lieblingssendungen. So wird das Internet zum integralen Bestandteil des Wohnzimmers, ohne dass komplexe Bedienkonzepte den Alltag belasten. „Viele ältere Menschen fühlen sich digital abgehängt, weil sie mit komplexen Handy-Anwendungen nicht zurechtkommen – oft finden sie nicht einmal die Fotos ihrer Enkel in einer Messenger-App“, fasst Zenaris-Mitgründer Hakan Evcek das Problem zusammen. Das führe zu Frustration und Einsamkeit. „Mit dem benutzerfreundlichen System von Zenaris fördern wir soziale Kontakte und digitale Inklusion.“
Die zentrale Rolle der Fernbedienung
Die Schlüsselrolle in diesem System spielt die eigens für diesen Zweck entwickelte Fernbedienung. Diese ist im Grunde ein Tablet – fast wie eine Tastatur – dem eine haptische Oberfläche verliehen wurde. Anders als bei herkömmlichen Touchscreens müssen die Nutzer:innen hier lediglich eine Taste drücken, was die Bedienung erheblich vereinfacht. „Älteren Menschen fällt es aus verschiedenen Gründen leichter, echte Tasten zu drücken“, erklärt Tim Jefferys, Wirtschaftsingenieur und Mitgründer von Zenaris.
„Der Clou an unserem System: Hinter den transparenten Tasten lassen sich Apps individuell hinterlegen und jederzeit austauschen.“ So kann zum Beispiel statt eines klassischen Fernsehsenders eine Sport-App wie Stuhl-Yoga hinterlegt werden. Angehörige oder Pflegekräfte nehmen diese Anpassungen aus der Ferne vor.
Pitch-Erfolg und wertvolles Feedback
Seit knapp einem Jahr räumt das Start-up einen Ideen-Pitch-Wettbewerb nach dem anderen ab. Durch Pitch-Events erweitern sie kontinuierlich ihr Netzwerk. Bereits beim HIGHEST Clubabend im März 2024 entdeckten sie den Softwareentwickler Manuel Kraus, der heute CTO und Mitgründer von Zenaris ist. Darüber hinaus brachte die Teilnahme am SDG-Contest des Goethe-Unibators, dem Gründerzentrum der Goethe-Universität Frankfurt, ein Büro und mit dem Hessen Ideen Stipendium auch finanzielle Unterstützung sowie wertvolle Coachings, die das Projekt weiter voranbrachten.
Ein weiterer Meilenstein war der Gewinn des Senovation Award, einer Initiative der Signal Iduna Gruppe und der Deutschen Seniorenliga, bei dem 240 Senior:innen als potenzielle Anwender:innen für das System stimmten. „Dass uns so viele Senior:innen ins Finale des Senovation Awards gewählt haben, bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Hakan. Die anschließenden Tests des Prototyps – bei denen auch viele der Senovation Award-Juror:innen als Tester aktiv waren – lieferten wertvolles Feedback. „Seither laden wir nach jedem Pitch dazu ein, unser Produkt von älteren Angehörigen testen zu lassen.“ Diese Rückmeldungen sind wichtig. Sie zeigen, dass eine altersgerechte digitale Lösung gebraucht wird.
Marktchancen und die Herausforderungen des Alters
Die Gründer wissen, dass der Markt großes Potenzial bietet: Rund 25 Prozent der Deutschen sind 65 Jahre und älter. „Nicht wenige von ihnen sind Babyboomer und gehörten zur Generation der No-Future- und Punk-Kultur“, stellt Hakan fest. „Sie wollen nicht zum ‚alten Eisen‘ gehören und legen Wert darauf, auch im digitalen Zeitalter aktiv zu bleiben.
Etwa ab dem 70. Lebensjahr nehmen altersbedingte kognitive Einschränkungen wie verlangsamte Informationsverarbeitung, nachlassendes Gedächtnis und verminderte Aufmerksamkeit zu. Diese Faktoren erschweren den Umgang mit komplexen digitalen Anwendungen. Genau hier setzt Zenaris an: „Wir nutzen den Fernseher als Medium. Es ist der größte Bildschirm im Haushalt und der gewohnte Lebensmittelpunkt unserer Zielgruppe“, erklärt Tim das Geschäftsmodell. „Unser System ist intuitiv und klar strukturiert, um komplexe Inhalte einfach und ansprechend zu vermitteln. Das Wesentliche bleibt leicht zugänglich, ohne zusätzliche kognitive Hürden. Wir sind überzeugt, dass wir mit Zenaris eine Marktlücke schließen.“ Eine Innovation, die älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt erleichtert.
Die Geburtsstunde einer Idee
Die Idee zu Zenaris entstand im Rahmen eines Seminars im Masterstudiengang Entrepreneurship von Prof. Dr. Carolin Bock an der TU Darmstadt. Die Teilnehmer:innen sollten eine Geschäftsidee entwickeln, die ein aktuelles Problem löst. Bei Hakan und Tim kam der Impuls von Oma Henny, der Großmutter von Hakans Ehefrau. Während der Corona-Pandemie fühlte sich Henny zunehmend einsam. Im Umgang mit Smartphone und Internet war sie nicht versiert, von der digitalen Welt weitgehend abgeschnitten. Die Gründer erkannten, dass ältere Menschen, die nicht mit digitalen Anwendungen aufgewachsen sind, oft Schwierigkeiten haben, sich in der digitalen Landschaft zurechtzufinden. Diese Erkenntnis legte den Grundstein für die Geschäftsidee, digitale Teilhabe einfach zugänglich zu machen. “Am Ende des Seminars gab es einen Pitch vor Experten. Bei denen kam unser Lösungsansatz nicht nur gut an, sondern sie motivierten uns, aus der Seminaridee mit Hilfe des HIGHEST Innovations- und Gründerzentrums einen Business Case zu entwickeln und ein Start-up zu gründen“, erzählt Tim. Und Hakan ergänzt: „Das kam uns insofern sehr gelegen, als für uns beide schon seit unserer Jugend klar war, dass wir eines Tages ein Unternehmen gründen und führen wollen.
Ein Blick in die Zukunft
Dank des EXIST-Gründerstipendiums des Bundeswirtschaftsministeriums, das ihnen seit Januar dieses Jahres zur Verfügung steht, können sich Hakan, Manuel und Tim nun voll und ganz auf die Weiterentwicklung ihres Prototyps konzentrieren. Im Laufe des Jahres wollen sie die erste Finanzierungsrunde abschließen, ihr Produkt skalieren und Zenaris offiziell als Unternehmen gründen. Die drei Gründer sind zuversichtlich, dass sie in etwa einem Jahr auf dem Markt sein werden.
Mit einer Kombination aus innovativer Technologie, benutzerfreundlichem Design und einem klaren Verständnis für die Bedürfnisse älterer Menschen eröffnet Zenaris neue Perspektiven für die digitale Teilhabe. Die Vision, den Fernseher als zentralen Zugangspunkt zur digitalen Welt zu etablieren, könnte schon bald Realität werden – und damit eine wichtige Marktlücke schließen.
Autorin: Heike Jüngst