Martin Klimach (links) und Alexander Brechtel sind die Gründer von Carbon-Drive. Sie stellen Spindelmotoren aus Kohlenstofffasern her. Diese sind leichter und stabiler als Stahlspindeln, sparen dadurch Energie und Rohstoffe und produzieren gleichzeitig deutlich präziser und günstiger. © Anja Störiko.
Nächstes Jahr feiern sie ihr Zehnjähriges. Sie waren eins der ersten Darmstädter Teams, die eine EXIST-Förderung des Bundes ergatterten. Mittlerweile beliefert Carbon-Drive die ersten Kunden.
„Motorspindeln sind die Königsklasse der Elektromotoren“, erklärt Martin Klimach ihr Produkt: Sie bringen Werkzeuge in Rotation, indem sie direkt elektrische Energie in mechanische Arbeit umwandeln. Motorspindeln bestehen im Wesentlichen aus einem Gehäuse und einer Welle, an die vorne etwa ein Schleif- oder Bohrwerkzeug angeschlossen werden kann. Die Spindel enthält die Welle, Magnete und Motor. „Bei uns besteht sie aus Carbon und ist damit halb so schwer“, beschreibt Klimach einen wesentlichen Vorteil. Er deutet auf eine Spindel, die gerade zum Schleifen verwendet wird.
Kraftvoll und vibrationsarm bohren, fräsen, schleifen
Kohlenstofffasermaterialien – kurz Carbon genannt – sind sehr steif, aber gleichzeitig leicht. Daher sind die daraus gefertigten Maschinen stabil, energieeffizient und ruhig. Weiter hinten in der Werkhalle wickelt eine Maschine die Carbonfasern zu einer Spindel: Dünne Kohlenstofffäden tauchen in ein Bad aus Epoxidharz, bevor sie in einem stabilen Kreuzmuster um einen Stahlkern gewickelt werden. So verkleben sich Kunststoff und Carbonfasern zu einem sehr steifen Material – „ähnlich wie Stahlbeton“, erklärt Klimach. Es ist auch bei Temperaturschwankungen hoch präzise und muss daher nicht wie Stahl aufwendig überwacht und ausgeglichen werden. Den Aufbau der verschiedenen Schichten haben sie bei Carbon-Drive optimiert. „Das ist mit entsprechenden Computerberechnungen heutzutage einfach und günstig“, so Mitgründer Alexander Brechtel. Diese Entwicklung ermöglichte der Kohlenstofffaser schon den Sprung zur Massenanwendung etwa in Fahrrädern, Autos, Ski und Surfboards – und nun auch für Motoren.
Gründung zum richtigen Zeitpunkt
„Zum Zeitpunkt unserer Gründung war Carbon zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar, am Institut von Helmut Schürmann gab es viel Erfahrung, ein großer Hersteller zeigte Interesse – und Martins Promotion war abgeschlossen“, fasst Brechtel zusammen. Klimach hatte in Darmstadt studiert und kam nach einem Auslandsaufenthalt zurück ans Institut für Leichtbau von Prof. Schürmann, „der Carbon-Koryphäe“. Dort konstruierte er im Rahmen seiner Promotion eine Welle aus Carbon. Drei Jahre erfolgreicher Tüftelei mündeten 2012 in einen Antrag bei der damals noch recht neuen Gründungsförderung EXIST, die den Transfer von Forschung aus der Uni unterstützt. „HIGHEST half, war da aber auch noch in der Orientierungsphase“, schmunzelt Klimach. Ergebnis war eine vierjährige Förderung für sechs Mitarbeitende. Wirtschaftsingenieur Brechtel – „wir haben uns beim Uni-Sport kennengelernt“ – kam zur Masterarbeit in Klimachs Team.
Im Juni 2016 haben sie gegründet. Ein Forschungsprojekt mit dem Marktführer für Motorspindeln zeigte die Möglichkeiten für ihre Spindeln aus Carbon. Erstmal blieb aber viel beim Alten: Die Mittel vom Bund finanzierten die Mitarbeiter, die an der Universität die erste Carbon-Motorspindel bauten. „Der harte Schnitt kam in der zweiten Phase der Existenzförderung: Wir mussten alles selbst verwalten, uns wirklich selbständig machen“, sagt Klimach.
Seit 2018 sind sie Mieter in einer Fabrikhalle am Rande von Weiterstadt, zusammen mit anderen Start-ups. „Wir tauschen uns aus, helfen uns gegenseitig, schauen über den Tellerrand“, beschreibt Klimach die konstruktive Zusammenarbeit.
Neue Maschinen – in Deutschland ein heikles Geschäft
Als Mitte 2019 EXIST auslief, gab es erste Kunden, die bestimmte Spindeln in Auftrag gaben, beispielsweise Forschungsinstitute. Aber die Entwicklung dauerte, und so lange musste Carbon-Drive sich mit Dienstleistungen und einfachen Produkten finanzieren. „Auf Messen gab es ernsthaft interessierte Industriekunden – vor allem nachdem wir einen Innovationspreis gewonnen hatten“, berichtet Brechtel. Aber meist sei daraus nichts geworden – „wenn die gemerkt haben: ups, das ist ja ein ganz kleiner junger Laden“. Denn die Branche sei sehr konservativ. Maschinen seien das Herzstück jeder Produktion, da gehe keiner ein Risiko ein.
Nach ersten Fertigungen für Forschungsinstitute lieferte Carbon-Drive vergangenes Jahr die erste Spindel an einen Schweizer Werkzeugmaschinenhersteller. Die geht jetzt in Serie.
Dafür haben sie eine neue Maschine angeschafft, die computergesteuert in fünf Achsenrichtungen arbeiten kann.
„Aber auch das zieht sich“, so Brechtel. Immerhin sollen nun jährlich 40 Stück mit dieser Ausstattung gebaut und verkauft werden. Die müssen sich dann im Alltag bei den Kunden bewähren. Zwar seien ihre Carbonspindeln bis zu 20 Prozent produktiver, weist Carbon-Drive nach. Aber einen entsprechend höheren Preis können sie bislang nicht erzielen. „Wir haben uns das leichter vorgestellt“, gibt Klimach zu, „zumal in der Wirtschaftsflaute noch weniger Maschinen geordert werden“. Der deutsche Markt sei schwierig. So haben sie mittlerweile ein Joint-Venture in China. Sie fertigen dort, aber steuern die Produktion elektronisch aus Weiterstadt.
Vorbild Rennauto
Das Wachstum von Carbon-Drive war über die Jahre organisch und ohne Investorenhilfe möglich – querfinanziert durch Forschungsprojekte, Dienstleistungen und kleine Aufträge. „Ein Ritt auf der Rasierklinge“, gibt Brechtel zu. „Aber im Rennsport haben sich auch irgendwann die Carbon-Autos durchgesetzt – das hat seinen Grund.“ Und ihre Argumente für Motorspindeln aus Carbon klingen überzeugend: Leichter. Präziser. Energiesparsamer. Produktiver. Schneller. Weniger Ausschuss. Daher ist ihr Logo der Colibri, der „Kohle-bri“, wie Brechtel mit einem Augenzwinkern sagt: eben leicht, schnell und präzise.
Mittlerweile hat Carbon-Drive einen festangestellten Mitarbeiter. Zudem besitzen sie zwei eigenen Patente. Ihre anfangs extremen Arbeitszeiten haben sie nach der Geburt ihrer Kinder heruntergefahren. „Aber es fühlt sich immer an, als mache man zu wenig“, gibt Klimach zu bedenken. Dafür seien sie selbstbestimmt und wüssten das zu schätzen. „Ich komme jeden Tag gerne hierher“, ergänzt Brechtel. „Carbon wird sich auch bei Motorspindeln durchsetzen“, ist sich Klimach sicher. „Die Frage ist, ob wir dabei sind“, unkt Brechtel – ohne wirklich daran zu zweifeln.
Autorin: Anja Störiko