Sie sind hochempfindlich, zuverlässig und breit einsetzbar: Die patentierten Foliensensoren von MimoSense ermöglichen es, sowohl kleine Kräfte wie Berührungen, Puls, Atmung und kleinste Vibrationen jeglicher Art zu messen. Aber auch große Kräfte, wie sie etwa auf Waagen oder a den Flügeln von Windkrafträdern auftreten, erfassen die hauchzarten elektronischen Wunderwerke präzise. Jetzt erhalten Omar Ben Dali, Romol Chadda und Stefan Trillig Mittel aus dem Topf des EXIST-Forschungstransfer-Programms der Bundesregierung. Damit wollen sie ihre Foliensensoren zu marktreifen Produkten entwickeln. Große Unternehmen klopften bereits an.
HIGHEST: Omar, Romol, Ihr habt an der TU Darmstadt Elektro- und Informationstechnik studiert und während Eurer Doktorarbeit eine neue Foliensensorklasse entwickelt. Was machen diese Foliensensoren anders als Herkömmliche?
Omar: Wir werden tatsächlich oft gefragt, was der Unterschied zu den Foliensensoren in beispielsweise Smartwatches ist. Die messen ja auch Schritte oder Körperfunktionen wie Puls und Herzfrequenz. Die Sensoren in Smartwatches aber messen optisch. MimoSense-Foliensensoren dagegen messen Kräfte über kleinste Bewegungen und Schwingungen. Sie sind wie eine elektronische Haut. Anders als alle anderen Sensoren können sie simultan sowohl dynamische wie auch statische Kräfte messen und das selbst durch dicke Schichten wie beispielsweise eine Matratze hindurch.
Romol: Ein praktisches Beispiel: Unsere multimodalen Foliensensoren haben einen echten Mehrwert, etwa für die Gesundheitsbranche. Du kannst einen dieser ultraflachen Sensoren unter eine Matratze legen und er misst verschiedene Vitaldaten der darauf liegenden Person. Oder in einem Rettungswagen. Man muss Patienten keine Elektroden mehr am Körper anlegen, um die Herzfrequenz zu überwachen. Unsere Sensoren nehmen ähnlich wie die menschliche Haut ihre Umgebung wahr. Und wie unsere Sinne die Informationen an das Gehirn weitergeben, geben auch unsere Foliensensoren die gesammelten Daten an ein Datenverarbeitendes System weiter, um sie auszuwerten. Beim genannten Beispiel kämen am Ende relevante Informationen zu Puls und Atmung heraus, ohne dass der Körper aufwendig verkabelt werden muss.
Stefan: MimoSense-Foliensensoren können auf nahezu beliebig geformten Oberflächen eingesetzt werden. Sie sind so flexibel, weil sie aus sehr dünnen Kunststofffolien bestehen, auf denen Leiterbahnen aus Tinte gedruckt werden. Wir haben mehr als 50 Use-Cases identifiziert. MimoSense-Folien haben das Potenzial für vielfältige Anwendungen und Märkte – von Robotik, Industrie 4.0, IoT, Fertigungsmaschinen und prädiktiver Wartung über Aerodynamik und Fluidmechanik, Gebäudetechnik bis in die Bereiche Wearables, Exoskelette, Prothesen und eben Health Care.
HIGHEST: Wie kam es dazu, dass Ihr aus dieser Forschungsinnovation ein Geschäftsmodell gemacht habt?
Omar: Für uns in der Forschung ging es zunächst nur darum, die Grenzen der aktuellen marktüblichen Sensoren zu überwinden. Als uns das gelungen war, haben Romol und ich ziemlich schnell gemerkt, dass in unserer Erfindung großes Potenzial für praktische Anwendungen steckt. Und wir entdeckten während vieler Gespräche, dass wir uns vorstellen können, selbst Unternehmer zu sein. Wir wollten unsere Erfindung nicht in einer Schublade verschwinden sehen oder sie jemand anderem überlassen. Aber wie das häufig bei Wissenschaftlern so ist: Wir waren gedanklich wie auch sprachlich in der Theorie unterwegs. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir die Innovation in erste Ideen für Business-Cases übersetzen konnten. Anfangs haben wir wie auf wissenschaftlichen Konferenzen immer nur Fachtermini verwendet. Niemand aus der Geschäftswelt hat uns verstanden. Wir waren weder Praktiker noch Betriebswirtschaftler. Das mussten wir erst mal lernen.
Romol: Letztes Jahr haben wir mit unserer Idee, aus den Foliensensoren ein Geschäftsmodell zu machen, beim TU-Ideenwettbewerb teilgenommen. Das war für uns bei MimoSense der erste öffentliche Auftritt und der erste wirklich große Stichtag, auf den es ankam. Durch die tolle Unterstützung und Motivation durch das Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST erhielten wir konstruktives und sehr hilfreiches Feedback für unsere Pitch-Präsentation und praxisorientiertes Training. Diese Erfahrung hat uns nicht nur persönlich weitergebracht und unsere Sichtbarkeit erhöht, sondern uns auch gezeigt, wie wichtig es ist, sich solchen Herausforderungen möglichst regelmäßig zu stellen.
HIGHEST: Beim TU-Ideenwettbewerb 2023 habt Ihr den Sonderpreis der Thomas Weiland-Stiftung für besondere Ingenieurleistungen in der Forschung und für das große Anwendungspotenzial von MimoSense-Sensorfolien gewonnen. Wie ging es dann für Euch weiter?
Omar: Nach unserem ersten Messeauftritt auf dem InnoDay 2022 war uns bereits klar, dass wir ein Start-up gründen wollen – ohnehin liefen unsere Doktorandenverträge Ende 2023 aus. Wir suchten dann einen Mitgründer, der sich in Sachen Geschäftsmodelle, Businesspläne, Finanzierung, Marketing etc. auskennt. Über einen gemeinsamen Freund, der vor einigen Jahren selbst erfolgreich gegründet hat, lernten wir dann Stefan Trillig kennen, der heute als Co-Founder bei MimoSense für eben diese Bereiche zuständig ist.
Stefan: Als Wirtschaftsingenieur Maschinenbau habe ich im Laufe meiner Karriere schon viele verschiedene Positionen in Unternehmen innegehabt – vom Firmenentwickler über Unternehmensberater bis Bankvorstand. Seit einigen Jahren bin ich mit einem Beratungsunternehmen selbstständig und habe große Lust, erstmals ein produzierendes Unternehmen mit wirklich anfassbaren Produkten zu gründen. Omar und Romol lernte ich in vielen Gesprächen als sehr breit und tief denkende Ingenieure kennen. Sie haben sich neben ihren spezifischen Fachkenntnissen in der Sensortechnik auch vieles über Materialwissenschaften, Drucktechnologie, IT, Softwareentwicklung und einiges mehr angeeignet. Sie sind außergewöhnlich breit vernetzt, sowohl an der TU Darmstadt wie auch im Start-up-Ökosystem der Region. Für mich sind sie absolute Genies.
Romol: Wir haben auch mit anderen Betriebswirtschaftlern gesprochen, gleichaltrigen Leuten, die wir aus der Uni kennen. Dass Stefan deutlich erfahrener ist, führte anfangs für uns zur Befürchtung, bevormundet zu werden. Das ist aber nie passiert. Stefan hat uns nicht gesagt, was wir zu tun oder zu lassen haben, sondern durch seine Fragen bewusst auf die betriebswirtschaftlichen Themen und mögliche Lösungen geführt. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und ergänzen uns perfekt. Stefan greift viel von unserem Knowhow auf, identifiziert mögliche Einsatzfelder und übersetzt es in Business Cases.
Omar: Mein Großvater, ein Unternehmer wie auch meine Eltern, sagt immer, dass „Weisheit und Energie zusammengehören. Um ein Unternehmen erfolgreich zu führen, sollte neben dem Erneuerungsdrang und dem Schwung der Jungen immer auch das Wissen von Erfahreneren einfließen.“
HIGHEST: Mit einer EXIST-Förderung von rund 750.000 Euro bringt Ihr MimoSense jetzt an den Markt. Ganz schön schnell seit dem TU-Ideenwettbewerb im September 2023.
Stefan: Wir hätten noch viel schneller sein können. Wir haben im Dezember in Berlin vor dem EXIST-Gremium erfolgreich gepitcht – an genau dem Tag, an dem Finanzminister Christian Lindner die Haushaltssperre mit sofortiger Wirkung verhängte. Das bremste zunächst alles aus. Wir wussten nicht, ob und wann wir die Förderung jemals erhalten, obwohl wir sehr zeitnah die Information erhielten, dass sich das Expertengremium positiv für uns ausgesprochen hat. Da sieht man, wie schnell und direkt sich die große Politik bis in die kleinste Region auswirkt.
Romol: Wir wollten eigentlich im Januar dieses Jahres mit der Gründung der MimoSense GmbH starten. Stattdessen mussten wir uns arbeitslos melden, weil unsere Doktorandenverträge im November 2023 ausgelaufen sind. Wir lebten von Ersparnissen und mussten Bewerbungen schreiben, das ganze bundesdeutsche bürokratische Arbeitslosenprogramm. Wir haben die Zeit aber zu dritt aktiv genutzt, um an unserer Sensorik und am Businessplan gemeinsam im Rahmen unserer eigenen Mittel weiterzuarbeiten.
Omar: Seit dem 1. Mai fließen jetzt für eineinhalb Jahre die EXIST-Fördergelder. Wir haben entsprechend Büroräume und ein Labor an der Universität können erste Mitarbeiter einstellen – wir suchen aktuell Software-Entwickler, Drucktechnologen und Sensortechniker – und sind sehr zuversichtlich, bald schon in den Markt eintreten zu können.
Stefan: Wir nutzten die „förderungsfreie“ Zeit, die Wertschöpfungsschritte und Einsatzpotenziale unserer multimodalen Sensoren zu identifizieren und waren auf unterschiedlichsten Messen, um mit potenziellen Lieferanten, Kooperationspartnern und Kunden zu sprechen. Schon jetzt haben wir Vorgespräche zu Projekt- und Produktansätzen mit einigen Unternehmen, darunter auch verschiedene weltweit operierende Konzerne. MimoSense-Foliensensoren haben das Potenzial, ein Massengeschäft zu werden, weil sie nicht nur die bisherigen Foliensensoren durch ihre höhere Sensitivität und Vielseitigkeit ersetzen, sondern darüber hinaus viele neue Anwendungsfelder erschließen können. Davon sind wir fest überzeugt.
Das Interview führte Heike Jüngst.